Gesundheitsinformationen auf TikTok: Von gut bis gefährlich

Gesundheitsinformationen auf TikTok: Von gut bis gefährlich
Gesundheitsinformationen auf TikTok: Von gut bis gefährlich

Immer mehr Menschen informieren sich über soziale Medien zu Gesundheitsthemen. Die US-amerikanische Medizinstudentin Rose Dimitroyannis hat TikTok-Videos zu medizinischen Themen analysiert. Gut, schlecht oder gefährlich ist nicht einfach zu unterscheiden.

Im heutigen digitalen Zeitalter sind soziale Medienplattformen wie TikTok zu einem festen Bestandteil unseres Lebens geworden. Neben Unterhaltung und eingängigen Tänzen bieten sie eine Fülle von Informationen zu Themen, die von Heimwerken bis hin zu Weltnachrichten reichen. Gerade junge Menschen nutzen zunehmend soziale Medien statt Google, wenn sie nach Antworten suchen.

Gesundheitsinformationen sind da keine Ausnahme. Hashtags wie #celiactok, #diabetestok und #sinustok werden millionenfach aufgerufen, wobei jeder Tag zu unzähligen Videos über das jeweilige Gesundheitsthema führt. „Jede Art von ‘Tok’ existiert – so funktioniert das Internet“, erklärt Dimitroyannis, Medizinstudentin im dritten Jahr an der University of Chicago Pritzker School of Medicine. „Kleine, winzige Teile der Bevölkerung finden sich gegenseitig und schlagen Wellen“.

Wenn Menschen mit gesundheitlichen Problemen zueinander finden, kann das positiv sein. Leider tummeln sich unter den gesundheitsbezogene Inhalten in den sozialen Medien auch Fehlinformationen. Während einige Trends relativ harmlos sind – etwa die Tatsache, dass Menschen über Nacht Kartoffeln in ihre Socken steckten, um „Giftstoffe herauszuziehen“ – können andere gefährlich sein, wie zum Beispiel Anti-Impf-Inhalte oder Videos, die dazu aufforderten, Borax mit dem morgendlichen Kaffee zu trinken.

„Es gibt qualitativ hochwertige und sachliche Informationen auf Social-Media-Plattformen wie TikTok, aber es kann sehr schwierig sein, diese von Informationen zu unterscheiden, die von Influencern verbreitet werden und tatsächlich schädlich sein können“, erläuterte Dr. Christopher Roxbury, Chirurg und Experte für Rhinologie an der University of Chicago Medicine.

Dimitroyannis, Roxbury und andere Forschende haben in ihrer kürzlich veröffentlichten Studie systematisch Gesundheitsinformationen auf TikTok analysiert, um herauszufinden, ob sie Trends in der Videoqualität erkennen können: Wie viele Fehlinformationen gibt es? Stammen sie von bestimmten Arten von Inhaltserstellern? Sie fanden heraus, dass fast die Hälfte der analysierten Videos Informationen enthielt, die nicht auf Fakten basieren. Ein großer Teil der irreführenden Videos stammte von Influencern ohne medizinischen Hintergrund.

#sinustok im Fokus

Um den Umfang der Studie für eine überschaubare Analyse einzugrenzen, konzentrierten sich das Team um Roxbury auf eine bestimmte Erkrankung. Außerdem führten sie ihre Suche während eines einzigen 24-Stunden-Zeitraums durch, um die Auswirkungen des sich ständig ändernden Algorithmus von TikTok einzuschränken. Sie durchsuchten TikTok unter Verwendung bestimmter Hashtags, die mit Sinusitis in Verbindung stehen, darunter #sinusitis, #sinus und #sinusinfection und katalogisierten die Videos auf der Grundlage von Uploader-Typen, Inhaltskategorien sowie Inhaltstypen. Die Qualität der Videos bewerteten die Forschenden anhand einer Reihe von Metriken wie Verständlichkeit, Handlungsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Bei der Bewertung stützen sich die Forschenden nicht nur auf ihre eigene Einschätzung, sondern auch auf validierte empirische Instrumente wie das Patient Education Materials Assessment Tool for Audiovisual Material.

Rund 44 Prozent der Videos enthielten unsachliche Informationen. Videos von Influencern ohne medizinischen Hintergrund mit mehr als 10.000 Followern, die sich auch selbst nicht als Mediziner bezeichneten, machten fast die Hälfte aller Videos aus. Sie enthielten mit größerer Wahrscheinlichkeit Fehlinformationen und hatten eine niedrigere Qualitätsbewertung. In den Videos von Laien ging es häufiger um das tägliche Leben oder um Comedy, als dass sie versuchten, medizinische Ratschläge zu erteilen. Medizinische Fachleute produzierten überwiegend Aufklärungsinhalte und erhielten höhere Bewertungen für die Qualität der Videos, sachliche Informationen und Nutzen-Schaden-Einschätzungen.

Potenzielle Gefahren von Fehlinformationen

Die Verbreitung von Videos, die nicht auf Fakten basieren, über Krankheiten, Behandlungen oder Präventionsmaßnahmen kann nicht nur Verwirrung stiften, sondern auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Einige in sozialen Medien beworbene „Behandlungen“ sind tatsächlich gefährlich. Es gibt auch subtilere Auswirkungen: Menschen können dringend benötigte medizinische Versorgung verpassen, weil sie sich unwirksamen alternativen Behandlungen zuwenden, die online beworben werden, oder weil ihr Vertrauen in Fachkräfte und Einrichtungen des Gesundheitswesens untergraben wurde.

„Ich habe häufig Patienten in der Klinik, die mir Fragen zu Dingen stellen, die sie im Internet oder in den sozialen Medien gesehen haben. Und ich habe festgestellt, dass die Informationen die Patienten oft in die falsche Richtung gelenkt haben“, berichtete Roxbury, leitender Autor der Studie. „In einigen Fällen sehe ich Patienten, die sich bereits einer solchen Behandlung unterzogen haben, ohne davon zu profitieren. In selteneren Fällen hatten sie einen Schaden davon.“

Während des Zeitraums, in dem die Forscher TikToks im Zusammenhang mit Nasennebenhöhlenentzündungen analysierten, gab es zum Beispiel einen Trend, sich ganze Knoblauchzehen in die Nase zu stecken, um die Verstopfung zu lösen. Wenn man sich die Nase schnäuzt, nachdem man Knoblauch hineingesteckt hat, wird zwar mehr Schleim abgesondert, aber nur, weil der Knoblauch eine Reizung verursacht, die die Schleimproduktion erhöht. Gleichzeitig riskiert man, das Nasengewebe zu beschädigen oder den Knoblauch so weit in die Nase zu bekommen, dass er die Nasengänge verstopft.

Soziale Medien klug nutzen

„Als Arzt können Sie nicht leugnen, dass jeder, der in Ihre Praxis kommt, wahrscheinlich etwas nachgeschlagen hat – und das ist sein gutes Recht, um seine Gesundheit zu verstehen“, sagte Dimitroyannis. „Letzten Endes sollten Patienten und Ärzte gleichermaßen die Möglichkeiten dieses Instruments verstehen und sich der Nachteile bewusst sein, aber auch anerkennen, dass es auch qualitativ hochwertige Informationen geben kann.“

Für die Forscher unterstreichen ihre Ergebnisse, wie wichtig es ist, Gesundheitsinformationen im Internet kritisch zu bewerten, Informationen mit zuverlässigen Quellen abzugleichen und im Zweifelsfall medizinisches Fachpersonal zu konsultieren.

Dimitroyannis räumte ein: „Mediziner sind auch nur Menschen; sie können immer noch falsche Dinge sagen. Aber insgesamt posten Gesundheitsexperten mehr nützliche Inhalte“. In den Studiendaten enthielten nur 15 Prozent der Videos von medizinischen Fachleuten unsachliche Informationen, verglichen mit fast 60 Prozent der Videos von nichtmedizinischen Influencern.

Obwohl die Videos von nichtmedizinischen Influencern im Allgemeinen eine niedrigere Qualitätsbewertung hatten und mehr Fehlinformationen enthielten, waren sich sichtbarer, da sie die bei weitem produktivste Gruppe in der Stichprobe der Studie waren. Nach Ansicht der Studienautoren sollte dieses Ungleichgewicht medizinische Fachkräfte dazu veranlassen, in den sozialen Medien aktiver zu sein. Sie gaben Tipps, wie medizinische Experten die Zugänglichkeit erhöhen oder bestehende Fehlinformationen bekämpfen können, etwa durch die Nutzung der Funktionen „Stitch“ und „Duet“ auf TikTok.

Quelle: MedCon Health Contents GmbH; Dimitroyannis R et al. A Social Media Quality Review of Popular Sinusitis Videos on TikTok. Otolaryngol Head Neck Surg . 2024 May;170(5):1456-1466.; University of Chicago Medical Center
Beitragsfoto: fizkes via stock.adobe.com

Veröffentlicht am: 3. März 2025Kategorien: Orthopädie

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